Das Ausbleiben der vierten Duschung
Die Gelehrten der späteren Jahrhunderte stritten lange darüber, welchen Namen man der finsteren Epoche geben solle, die auf den Glanz der Thermen und die wandernden Duschen folgte. Denn nie zuvor war das Wasser so versiegt, nie zuvor schien der Strom der Ströme selbst zu erlöschen. Darum wurde sie in vielen Zungen benannt, und jeder Name war Ausdruck des Ringens, das Unsagbare in Worte zu fassen.
Einige nannten sie Caligo Rigoris Lavationis Quartae, den Schleier der Strenge der vierten Duschung. Denn wie eine kalte Dusche fiel das Erwachen der Menschheit, die sich eingeschäumt und vertrauend im Strom wusste – und plötzlich nur noch Härte und Erstarren fand.
Andere sprachen von der Nebula Interruptionis Lavationis Quartae, dem Nebel der Unterbrechung. Denn es war, als habe jemand im entscheidenden Augenblick den Hahn geschlossen: Mitten im heiligen Vollzug brach das Wasser ab, und der Schaum verdorrte auf der Haut.
Wieder andere sahen in ihr die Umbra Fontis Extincti Lavationis Quartae, den Schatten der erloschenen Quelle. Ein Bild der Trauer: Kein Rauschen mehr, kein Plätschern, nur das dumpfe Echo eines einst lebendigen Stromes.
Und es gab auch die, die schlicht von der Obscuritas Quartae Lavationis sprachen – der Dunkelheit der vierten Duschung. Denn Dunkelheit war es, die herrschte, innen wie außen, in Städten und in Herzen.
Doch wie viele Worte man auch wagte – alle meinten sie dasselbe: die Abwesenheit. Denn wahrlich, es gab keine vierte Duschung. So wurde der wahre Name jener Epoche geboren: Nulla Quarta Lavationis.
Und es geschah, nach den Tagen der großen Thermen und nach den Worten Klysthotheas, dass der Mensch die Ströme nicht mehr ehrte. Vielerlei Stimmen erhoben sich, und jede rief: „Siehe, ich kenne den wahren Weg!“ So wuchsen Splitterungen und falsche Orden wie Schimmel im feuchten Gemäuer.
Einige predigten, Reinheit sei bloß ein Spiel des äußeren Scheins, und sie gingen einher, glänzend in Salben und Ölen, doch ohne die Duschung des Wassers. Andere behaupteten, die Klarheit komme nicht vom Tropfen, sondern vom Rauch des Feuers, und sie bedeckten ihre Körper mit Asche und Ruß. Wieder andere erklärten, Erneuerung sei unnötig, denn das Fleisch sei verdorben und unwert. So verunreinigten sie die Lehre der Ströme, und die Menschen wurden verwirrt.
Und Hybris erhob sich. Es fanden sich Prediger, die sprachen: „Wir brauchen kein Wasser mehr. Wir sind über das Nass hinaus.“ Und sie wiesen die Duschen ab, als seien sie ein Relikt der Kindheit. Manche riefen gar, das Waschen sei sündhaft, weil im Tropfen Lust verborgen liege. So kam es, dass Schweiß und Verkrustung als Zeichen der Frömmigkeit galten, und viele rühmten sich der Last des Ungewaschenen.
Und Heuchelei griff um sich. Denn etliche, die öffentlich die Duschung verdammten, schlichen heimlich in nächtlicher Stunde in verfallene Räume, um dort das Wasser doch zu kosten. Sie nannten sich rein, während ihre Herzen von Lüge tropften. So wurden die Ströme verachtet und verspottet.
Und die Strafe kam nicht in Feuer, nicht in Stein, sondern in der großen Trockenheit. Die Aquädukte zerbrachen, die Thermen verfielen, die Karaffen von Gilgabath wurden vergessen in Staub und Spinnweben. Wer noch badete, galt als Ketzer. Wer duschte, wurde der Unzucht beschuldigt. Der Mensch hörte auf zu duschen – und der Mensch ging darnieder.
Doch nicht alle verließen die Ströme. Kleine Scharen hielten im Geheimen Wache. Sie versammelten sich in Kellern, wo Tropfen von den Decken fielen, und nannten ihre Versammlungen „Kammern des Tropfens“. Sie trugen Handtücher wie verborgene Fahnen, nähten Patches auf ihre Gewänder, die nur Eingeweihte verstanden. Manche murmelten das „Anduschen“ in verbotenen Litaneien, andere zeichneten mit feuchten Fingern das Zeichen des Strahls auf ihre Stirn. Sie lebten wie Schatten, verfolgt und verspottet, doch sie hielten den Funken der Duschung lebendig.
Und dennoch, die Vierte Duschung blieb finster. Jahrhunderte vergingen, da der Mensch in Staub und Blindheit wanderte. Die Zusammenkünfte, die einst lärmend gefeiert wurden im Glanz des Wassers, verrotteten zu Märkten des Schweißes. Statt Harmonie herrschte Missklang, statt Strömen trockene Kehlen.
Doch die Alten flüsterten: „Irgendwo fällt der Tropfen noch.“ Ein Raunen, das durch die Jahrhunderte schlich: dass es Orte gebe, ungesehen, ungenannt, wo Wasser noch rinnt, wo Ströme noch rauschen. Und jene Kunde war den Verfolgten Trost: dass nicht alles verloren war, dass irgendwo die Duschung noch bewahrt blieb.
Darum wurde die vierte Epoche nicht zur Harmonie, sondern zur Warnung. Sie lehrt, dass Hybris die Ströme verunreinigt, dass Heuchelei sie verhöhnt, und dass der Mensch, der das Wasser verlässt, in Modder, Staub und Matsch zurücksinkt. Und die Propheten raunten: Wenn die Zeit erfüllt ist, wird der Hahn wieder aufgedreht. Und der Tropfen wird fallen, klar und rein, und der Mensch wird erneut sehen.
So endete die Finsternis der Vierten Duschung – nicht mit einem Jubel, sondern mit dem gedämpften Tropfen, verborgen in Kellern, wartend auf das Licht des kommenden Stromes.