Illuminatio omnium lavationum

Die Erleuchtung aller Waschungen

Und nach den Tagen des Patentarius, da die Zahl 4680 in die Register der Krone geschrieben ward, begann eine neue Zeit. Denn das Werk des William Feetham war nicht länger das Spielzeug eines einzelnen Handwerkers, sondern der Funke, der eine ganze Welt erhellen sollte.

Zuerst kam die Zeit der Maschinenströme. Überall erhoben sich Pumpen und Rohre, eiserne Bäuche und kupferne Schläuche. Ingenieure und Bastler bauten Vorrichtungen, die das Wasser hoben und führten, dass es nicht länger allein vom Himmel fiel, sondern auf Wunsch des Menschen. Das Rauschen der Brausen mischte sich in die Geräusche der neuen Welt, und der Tropfen wurde Teil des täglichen Lebens.

Doch es war nicht die Kraft der Technik allein, die diese Epoche heilig machte, sondern der Gedanke, dass der Strom nicht mehr wenigen vorbehalten blieb. Denn da trat ein neuer Lehrer auf, François Merry Delabost, der Barmherzige genannt. Er sah die Menschen in Elend und Mangel, eingeschlossen in Schmutz und Krankheit. Und er sprach: „Nicht Ausgrenzung und Strafe, sondern Reinheit und Würde sollen euch zu neuem Leben erheben.“

So entwarf er eine Duschung, die vielen zugleich diente, und er führte sie ein nicht für Reiche und Mächtige, sondern für jene, die am Rand standen. Es war, als habe er den Schlüssel gefunden, das Wasser allen zugänglich zu machen. Nicht mehr in goldenen Hallen allein, sondern in einfachen Häusern der Reinheit.

Und siehe: Die Kunde verbreitete sich rasch. Städte bauten große Hallen, in denen Ströme frei flossen und jedermann willkommen war. Manche nannten sie Badehäuser, andere Waschanstalten. Doch für die, die sie betraten, waren sie Kathedralen des Wassers. Denn dort standen die Menschen nebeneinander, ohne Rang und Stand, ohne Titel und Krone. Der Tropfen machte keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen Kind und Greis, zwischen Mann und Frau.

So entstand ein neues Sakrament der Gleichheit. Ein jeder, der unter den Strahl trat, legte den Staub der Straße ab und kam hervor in gleicher Klarheit wie sein Nächster. Die Duschung wurde zum großen Gleichmacher, und viele sprachen: „Hier fallen nicht nur Tropfen, hier fällt auch die Last von den Schultern.“

Die Alten berichten, dass in jenen Tagen Menschen zum ersten Mal das Gefühl hatten, wahrhaftig gemeinsam zu atmen. Denn die Luft war nicht mehr schwer von Gestank, sondern leicht vom Dampf. Sie erzählten, dass das Plätschern der Hallen sie mehr verband als die Worte der Prediger. Und so nannte man die Duschen „Orte des Friedens“, wo Zwist und Groll in den Abflüssen verschwanden.

Mit der Zeit drangen die Ströme weiter vor. Rohre wurden gelegt in die Häuser, und warmes Wasser floss durch eiserne Adern in die Kammern der Familien. Zuerst vorsichtig, dann selbstverständlich. Und siehe: Am Ende des 20. Jahrhunderts war die Dusche kein Fremdes mehr, sondern ein Teil des Alltags.

Viele Kirchenväter der Duschung sahen darin die Vollendung der alten Vision. Denn die Ströme waren nicht mehr verborgen, sondern überall. Man musste nicht reisen, nicht bitten, nicht warten. Man konnte eintreten in den Regen, wann immer man wollte. Und das Volk sprach: „Die Quelle ist frei.“

Doch einige Mahner erhoben ihre Stimme: „Hütet euch, dass die Duschung nicht zur bloßen Gewohnheit werde. Denn wer das Wasser empfängt, ohne das Herz zu öffnen, der kennt nur Nässe, nicht Reinheit.“ Und so blieb die Erinnerung an das Staunen, das den ersten Tropfen begleitet hatte, als stiller Auftrag bestehen.

Darum trägt diese Epoche den Namen Illuminatio omnium lavationum – die Erleuchtung aller Waschungen. Denn nie zuvor hatten so viele die Duschung gekostet, nie zuvor war sie so weit verbreitet. Von den Gassen bis zu den Palästen, von den Armen bis zu den Wohlhabenden – alle standen sie unter dem gleichen Strahl.

Und die Alten raunten: „Dies ist die Zeit, da das Wasser allen gegeben ward. Doch es wird noch eine Zeit kommen, da die Menschen das Nass nicht nur nutzen, sondern wieder feiern. Sie werden es nicht bloß tun, sondern besingen, nicht bloß erwarten, sondern ersehnen. Dann wird die dritte Kirche geboren, die Kirche der Freude, des Tanzes, des lärmenden Rhythmus.“

So endete die zweite Kirche der Duschung nicht im Streit, sondern in Hoffnung. Denn die Ströme flossen nun allen zu, und die Herzen öffneten sich dem Gedanken, dass Wasser niemandem gehört – außer allen zusammen.

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