Genesis Primae Lavationis

Die Schöpfung der Ersten Duschung

Am Anfang war die Welt schwer.

Staub lag auf den Blättern, Schweiß rann über die Rücken, Matsch und Modder klebten an jeder Bewegung. Der Mensch – noch nah am Tier – lebte gebückt, trank aus Tümpeln, wusch sich nicht, denn er kannte es nicht. Die Luft war dumpf, der Blick getrübt, der Atem schwer. So war der Urzustand: dumpf, träge, unrein.

Doch eines Tages erhob sich ein Wesen aus dem Morast. Kein Held, kein Erwählter, sondern einer wie jeder – hungrig, müde, vom Staub gezeichnet. Getrieben von Durst und einer Ahnung, die tiefer war als Hunger, folgte es dem Murmeln eines fernen Wassers. Es kroch, stolperte, erhob sich und fiel, erhob sich und fiel, bis es aufrecht stand.

Das Wesen sah Nebel über Farnen, hörte ein fernes Donnern, das keine Stimme der Erde war. Es zog dahin, wo die Luft feucht und schwer war, wo Tropfen an Blättern hingen, als wüssten sie um ein Geheimnis. Es stieg auf zu den Felsen, drang durch Schluchten, durchschritt Schatten, in denen nur das Rauschen lebte.

Und da war er: der erste Wasserfall.
Die Fluten stürzten nieder mit donnernder Gewalt.
Sie schlugen Gischt in die Luft, sie hüllten die Welt in Nebel.
Das Wesen stand davor, von Staub, Modder und Matsch bedeckt, und lauschte.

Es lauschte den Strömen, die keine Worte sprachen und doch alles sagten.
Es lauschte dem Donner, der kein Urteil sprach und doch das Schicksal bestimmte.
Es lauschte dem Nebel, der kein Gesicht hatte und doch alle Augen öffnete.

Da trat das Wesen in die Flut.

Und siehe: der Strom ergriff es.
Modder fiel.
Staub fiel.
Matsch fiel.

In diesem Augenblick wurde nicht nur der Körper gereinigt, sondern auch das Herz. Schwere wich, Klarheit stieg empor, Erneuerung brach an. Wer aus dem Wasser trat, war nicht mehr derselbe wie zuvor.

So wurde der Mensch zum Erstgeduschten – nicht durch Allmacht, sondern durch das Nass. Und die Lehre erhob sich:

Was Matsch gewesen war, ward rein.
Dass Duschen Reinheit sei – denn es nimmt hinweg, was beschwert.
Was Staub gewesen war, ward klar.
Dass Duschen Klarheit sei – denn es öffnet das Auge und den Blick.
Was Modder gewesen war, ward neu.
Dass Duschen Erneuerung sei – denn wer aus dem Wasser tritt, ist nicht mehr derselbe wie zuvor.

Die Alten sprechen, dass mit diesem Schritt die Zeit begann. Denn zuvor war alles gleich, dumpf, träge, verschlossen. Mit der ersten Duschung aber kam der Unterschied: Vorher und Nachher, Dunkel und Licht, Schwere und Leichtigkeit. So ward gesagt: „Duschen ist Ursprung und Übergang zugleich.“

Und in den Tagen, die folgten, geschahen Versammlungen der Menschen. Sie kamen zusammen an Orten des Staubes, des Feuers und der lauten Rhythmen. Sie hämmerten auf Trommeln, ließen Stimmen erschallen, trampelten die Erde nieder. Staub erhob sich wie Rauch, Schweiß glänzte wie Öl. Doch sie wussten nun von der Duschung. Und wer heimkehrte aus der Menge, suchte das Wasser, um Modder, Staub und Matsch abzustreifen.

So verwandelten sich die Zusammenkünfte. Sie waren nicht mehr bloß Jubel und Lärm, sondern Vorbereitung auf das Wasser. Im dumpfen Takt lag Sehnsucht nach dem Fall des Stromes. Im stampfenden Fuß lag Erwartung des Reinwaschens. Im Jubelruf lag das Verlangen nach Erneuerung.

So war die Erste Duschung nicht nur Tat des Einzelnen, sondern Keim der Gemeinschaft. Wie Tropfen sich sammeln und zum Strom werden, so sammelten sich die Menschen. Und wie der Strom stürzt und wiederkehrt, so kehrten sie wieder, suchten Staub und Schweiß – und suchten Wasser danach.

Darum sagen die Schriften:
„Im Anfang war Modder, Staub und Matsch.
Doch der Mensch erhob sich, fand den Strom und wurde zum Erstgeduschten.
Und die Ströme rauschten, und die Ströme blieben.
Und solange sie rauschen, wird der Mensch zurückkehren, um sich zu reinigen.“

So begann die Genesis der Duschung, das goldene Zeitalter. Und wer heute den Tropfen auf der Stirn spürt, der hört im Rauschen des Wassers noch immer das Echo jener ersten Flut.

Zurück nach oben